Skip to content
Verein zur Erforschung und Diskussion des Verhältnisses von Stadt und Kultur

Die unbehagliche Stadt

Wahrnehmung von Bedrohung, Stadterfahrung und Stadtkritik seit dem 18.Jahrhundert

Vortrag und Diskussion:

Mittwoch, 25. November 1998 – 20.00 Uhr

Pavillon

Lister Meile 4

30161 Hannover

  • Wolfgang Lenk (Uni Hannover)

Wie ein Schatten folgen dem geschichtlichen Prozeß der Verstädterung jene kritische Stimmen, die mit den städtischen Lebensformen und Existenzbedingungen mehr oder weniger radikal ins Gericht gehen. In der Kritik der Stadt drückt sich unter anderem eine Angst vor dem Chaos aus.

 Auf oft höchst vertrackte Weise sind die stadtgeschichtlichen Zäsuren mit den sozial geprägten Wahrnehmungsformen und kulturellen Deutungsmustern der Stadtkritiker verwoben.
Während in der Entstehungszeit der kapitalistischen Wirtschaftszentren Stadtkritik häufig aus der gemächlichen Perspektive einer idealisierten ständischen Ordnung formuliert wird, irritiert die aufgeklärten Philosophen des 18. Jahrhunderts vor allem die Stadt als Bühne unaufrichtiger und entleerter Lebensstile. Das schnelle Wachstum der neuen industriellen Metropolen und die Stadterfahrung am beginnenden 20.Jahrhundert begründen dann eine sozialmoralische Kritik der Stadt als Ort des proletarischen Elends, der Kriminalität und wachsender Gleichgültigkeit ihrer Bewohner untereinander.
 
Der Vortrag wird anhand von literarischen und soziologischen Texten, Reiseberichten und Beispielen aus der kulturkritischen Zeitdiagnostik einige dieser exemplarischen Konstellationen von Stadtkritik aufgreifen. Es wird gezeigt, wie die zeitspezifischen Erfahrungsgehalte mit den unterschiedlichen kulturellen Wahrnehmungs- und Interpretationsmustern verschränkt sind. Die Stadtkritik hat vielfältige Sprachen und Stichworte hervorgebracht, die bis zur heutigen Debatte um die "divided city“ wirksam geblieben sind.