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Verein zur Erforschung und Diskussion des Verhältnisses von Stadt und Kultur

Die Rote Moderne in Sachsen und Beispiele aus Hannover

Fotos des Werkbunds Sachsen und Wolfgang Niess (AG Stadtleben Hannover)

Ausstellung:

Freitag, 9. November 2001 – 06.00 Uhr

Bauverwaltung

Rudolf-Hillebrecht-Platz 1

30159 Hannover

Im Vordergrund der Betrachtung steht ein Baustoff: der rote Ziegel oder Klinker, der in der Entwicklung der modernen Architektur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielt. Er steht für eine gemäßigte und nicht für die radikale Moderne, deren bevorzugte Materialen für die Fassaden Stahl, Glas und heller Putz sind. Konstruktiv sind die Gebäude meistens ein Bekenntnis zu den modernen Baustoffen und den neuen ingenieurtechnischen Möglichkeiten: es handelt sich häufig um Stahl- oder Stahlbeton-Skelettbauten mit vorgehängten oder vorgestellten Klinkerfassaden.

Die Klinkerarchitektur fühlt sich den regionalen Traditionen, z.B. der norddeutschen Backsteinarchitektur verpflichtet, die bis zur Backsteingotik zurückreicht, und zeigt zum Teil eine geistige Nähe zur Heimatschutzbewegung und zu den Ideen des Deutschen Werkbundes. Durch den Einsatz von rotem Ziegel sollte in den rasant wachsenden Städten den entwurzelten Bewohnern ein Heimatgefühl vermittelt und der vielfach empfundenen Orientierungslosigkeit entgegengewirkt werden. „Der Stadtbaukünstler musste sich der Widersprüchlichkeit und der Massenhaftigkeit der großen Stadt stellen, ihrer sozialen Problematik, ihrer technischen Dimension und ihrer neuen kulturellen Rolle.“ Fritz Schumacher, der Hamburg durch rote Ziegelbauten prägte, hat die Vorzüge des Materials in seinem Buch „Das Wesen des neuzeitlichen Backsteinbaus“ 1920 publiziert, wobei er sich vehement gegen Stileklektizismus durch Neugotik und Historismus aussprach. Gelobt wird die Farbigkeit und Wetterbeständigkeit, vor allem die Qualität der Licht- und Farbeffekte und die lebendig wirkenden Maueroberfläche. „In der Beschränkung auf ein einheitliches Material liegt die Quelle einer tiefen künstlerischen Kraft. Der Weg zum letzten Ausdruck der Monumentalität führt stets zu solcher Beschränkung“. Das Werk Fritz Schumachers in Hamburg und dessen Aussagen zum Städtebau haben nichts an Aktualität verloren: „Klares Raumgefühl – einheitliche Gestaltung der Baumassen – Einheitlichkeit am Material, das sind die großen städtebaulichen Grundsätze“. Schumacher setzte den Backstein ein, um den herrschenden „Stil- und Materialkarneval“ der modernen Großstadt zu bändigen.
Die Veranstaltungsreihe will mit einem Streifzug durch die Region Sachsen und die Städte Hannover und Hamburg den Blick auf Beispiele dieser Architektur fokussieren. Kernstück der Reihe ist eine Ausstellung über die Rote Moderne in Sachsen vom Deutschen Werkbund Sachsen.
Die Tradition des roten Backsteinbaus, die in den Jahren zuvor durch den vorherrschenden Putzbau unterbrochen worden war, wurde in Hannover nach dem Ersten Weltkrieg von Stadtbaurat Paul Wolff unter dem sozialdemokratischen Stadtdirektor Leinert wieder aufgegriffen. An den ideologischen „Dächerkriegen“ (Flachdach kontra Satteldach) beteiligte sich das an konservativen baulichen Leitbildern orientierte hannoversche Bauwesen nicht. Auch der moderne Zeilenbau setzte sich in Hannover nicht durch. Ideen der Gartenstadt fielen jedoch auf fruchtbaren Boden.
Wie überall in den deutschen Großstädten war die Überwindung der Wohnungsnot eine der drängendsten kommunalen Aufgaben.
Reformerische Bestrebungen zielten auf die Vermeidung der Hinterflügelbauweise in den Wohnblöcken, die kaum Licht, Luft und Sonne zuließen zugunsten eines drei- bis viergeschossigen Siedlungsbaus mit begrünten Innenhöfe, die der Gemeinschaft zur Verfügung standen.
Der Anteil des kommunalen Wohnungsbaus betrug in Hannover zwischen 1918 und 1921 58%. Es entstanden z.B. die Kleinsiedlungen in Oberricklingen und an der Schulenburger Landstraße. Eine Beseitigung der Wohnungsnot war jedoch längst nicht gegeben.
Erst mit der Einführung der Hauszinssteuer konnte der Wohnungsbau in erheblichem Maße gesteigert werden.
Ab 1925 kam es unter Stadtbaurat Elkart zu einer Zunahme der Wohnungsbauförderung: „Die Wohnungsproduktion, die sich mit dem Bau von 520 Wohnungen zwischen 1919 und 1924 im unteren statistischen Drittel bewegte, stieg mit 9,1 Wohnungen je 1000 Einwohner nach Düsseldorf an die zweite Stelle der deutschen Großstädte. Hannovers Wohnungsbau in dieser Zeit nimmt damit eine städtebaulich und architektonisch herausragende Bedeutung ein“ (Baudenkmaltopographie 1981, S. 20).
Zunehmend hatte die Stadt ihren Schwerpunkt auf die Mittelbeschaffung verlagert und die Bauträgerschaft auf private Bauherren und vor allem Baugenossenschaften übertragen, von denen es 1927 bereits 27 in Hannover gab.
Die kommunale Einflussmöglichkeit auf die private Bautätigkeit wurde durch ein „Ortsstatut gegen Verunstaltung“ gesichert. Städtebauliches Ziel war die Schaffung ansprechender und einheitlicher Straßenbilder, die durch Vorgabe von Baumassen, Gliederung und Material umgesetzt wurde.
Abzulesen ist dies in den „Klinker“-Siedlungen mit homogenem Erscheinungsbild am De-Haen-Platz, Geibelplatz oder Bertha-von-Suttner-Platz, die im städtebaulich vorgegebenen Blockraster mit einer ausgeprägten Grüngestaltung sowohl im öffentlichen Straßenraum als auch im Blockinneren errichtet wurden, aber auch in der Siedlung am Kreuzkampe, deren Verkauf durch die Genossenschaft an einen privaten Bauträger in diesem Sommer in der Presse für Schlagzeilen sorgte.
Die Gartenstadtidee wurde 1927 mit der Einfamilienhaussiedlung Gartenstadt Kleefeld umgesetzt: „Der Bebauung lag ein einheitliches Konzept zugrunde, das von der Grundriss- über die Fassadengestaltung die Planung des öffentlichen und privaten Grüns einbezog.“
Neben dem Wohnungsbau sind es sowohl etliche öffentliche Bauten wie die Stadtbibliothek oder die Pädagogische Hochschule als auch private Bauten wie das Anzeiger Hochhaus von Fritz Höger - längst ein Wahrzeichen Hannovers - , das Capitolhochhaus am Schwarzen Bären und die Continentalgebäude in der Philipsbornstraße, die als Klinkerbauten nach wie vor Aufmerksamkeit erregen.
Stilistisch sind einige der Klinkerbauten nach den Prinzipien des Neuen Bauens ausgebildet. Sie sind gekennzeichnet durch eine strenge Sachlichkeit und kubische Formen, andere haben jedoch auch die Gestaltungsmöglichkeiten des Materials dahingehend genutzt, eine expressionistische Formensprache zum Ausdruck zu bringen.