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Verein zur Erforschung und Diskussion des Verhältnisses von Stadt und Kultur

Vom Verhäuslichen der Harn- und Kotentleerung

Über einige zivilisatorische Wandlungen

Vortrag und Diskussion:

Dienstag, 12. Juni 2001 – 20.00 Uhr

Historisches Museum

Pferdestr. 6

30159 Hannover

  • Peter Reinhard Gleichmann (Soziologe, Hannover)

Die meisten Architekten, Stadtplaner und mit Städten befassten Ingenieure vermeiden zu Beginn des 21. Jahrhunderts völlig, von diesen täglichen Verrichtungen direkter zu sprechen. Wenn sie die vielen technischen Anlagen planen und produzieren, schweigen sie gänzlich über die Vorgänge selbst. Schon jedes kleine Kind hat früh zu erlernen, sich wortlos und reinlich sich seines Kots und Urins zu entledigen.

Anhand von Sprach- und Bildbeispielen aus etwa zweihundert Jahren erinnert dieser Beitrag an einige grundlegende psycho-soziale Wandlungen: Die mit der zunehmenden städtischen Menschenverdichtung einhergegangene Geruchsbelästigung, das allmähliche Abtrennen und Einhausen der Verrichtungen, das Erfinden neuer Geräte und das Erhöhen der Peinlichkeitsschwellen. Die Verräumlichung der Schamempfindungen in den Bauten, die mit den Sanitäreinrichtungen einhergehende erhöhte Selbstkontrolle und schließlich die durch Staat und Industrie in Städten neu miteinander verflochtenen Hausgemeinschaften. – Mit den grundlegenden Änderungen in der Verfügungsgewalt über die eigenen Exkrement haben sich auch die sozialen Abstände zu denjenigen vergrößert, die sie nun beseitigen.